Schneekugeln

„I feel like i am in one of those snow globes that you bring home from travelling. And i still need some time for things to settle.“ – „You should consider stopping all your jumping around the house, or go outside to do it, or you will keep stirring up the snow. Also maybe put your penguin in her enclosure.“

C. sagt, es gibt dieses Gefühl davon (das kennen nicht viele, aber ein paar, ich zähle mich zu denen, die es kennen), dass man plötzlich nicht mehr weiß, wo man anfängt und wo man aufhört. Der eigene Körper, das Selbst. Und dann braucht man jemanden, der einen festhält, der einem mit dem Finger die Grenzen nachzeichnet, einen Druck von außen ausübt, damit man wieder spürt, wo man zu Ende ist. Wir sind die, die jetzt eine ganze Weile ohne diesen Jemand auskommen werden müssen.

P. schreibt, sie sei eigentlich nicht jemand, der ständig berührt werden müsse, der gern zuhause sei, der keine laute Musik oder Bars braucht, aber die letzten Tage seien eine solche Herausforderung gewesen, plötzlich sei das Gefühl in einem hochgekommen, man wolle genau jetzt dann doch die engsten Menschen umarmen. Und sie wisse nicht, warum. Ich glaube, die Stille ist etwas, das wir meistens nur gut ertragen, wenn sie selbst wählen dürfen.

In jedem dieser Worte hier steckt Banalität, aber ich kann gerade noch nicht aus anderen Universen erzählen, ich kann nur diese vier Wände beschreiben, obwohl ich alles andere sehe. Sobald ich anfange, über fremde Realitäten zu sprechen, klingt es unzulänglich und nicht weitreichend genug. Ich sehe sie, aber hier an diesem Platz finde ich noch nicht die richtigen Worte dafür, hier an diesem Platz bleibe ich bei den kleinen Beobachtungen, diese sind am einfachsten zu beschreiben. Der Rest ist zu groß.

Tagsüber fällt mir manchmal ein, wie gut es wäre, jemanden in der Küche lachen zu hören, der sich über etwas freut, das man gerade nicht sehen kann, das nur ihm gehört. Und Radioheads „Where I end and you begin“: I can watch but not take part. Where I end and where you start.“ Die Nächte sind traumlos, die Morgensonne hält meistens bis in den frühen Nachmittag hinein. Ab halb drei fällt sie so, dass ich im Sessel sitzen kann und sie mich trifft.

Die einen gewöhnen sich gerade an die Abwesenheit des Planbaren, an die Nähe zu manchen, an die veränderte Nähe, an das neue Zeitgefühl in welcher Variante auch immer (wie schnell das auch geht, dass zumindest ein paar wesentliche Teile des Körpers die neue Realität annehmen, sich drauf einstellen, justieren). Die anderen treten gerade erst hinein in dieses Zimmer, in dem alles plötzlich an einem anderen Ort steht, in dem es laut ist und sehr leise zugleich, in dem das, was vorher da war, zehnmal dick unterstrichen wird, das Gute und das nicht so Gute, die stehen noch in der Türschwelle und würden am liebsten sofort kehrtmachen, doch im Blick zurück gibt es gerade vor allem Melancholie und Sehnsucht und nicht viel mehr.

Jeden Morgen bringt Opi seiner Freundin im Pflegeheim einen Jogurt nach unten. Sie wohnt im zweiten Stock, er im siebten. Er bekommt zwei und mag Jogurt nicht ganz so gern. „Sie bekommt das Innere, ich das Äußere“, sagt er und meint, das er nach dem Essen die Plastikbecher ausspült und wieder mit nach oben in sein Zimmer nimmt, um Kleinigkeiten darin aufzubewahren. Einerseits meckert er immer über zuviel Kram, andererseits holt er sich immer neuen dazu. Alles muss seinen Ort haben, damit er es nicht so einfach vergisst. Er hat es lieber, wenn die Dinge nicht lose auf dem Tisch liegen, sondern in einem Gefäß sind.

„Imagine light as touch. Looking out of the window is still a perspective.“

Und das.
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D. hat mit ein paar Menschen zusammen einen Solidaritätsfond gegründet. Sie sammeln Spenden, um freie Bühnen- und Tontechniker:innen, Beleuchter:innen, Stage Hands und Veranstaltungshelfer:innen zu unterstützen. Vielleicht helft ihr auch, wenn ihr könnt.