Die Sache ist ja die, dass es so viele Sachen sind.

Duplo

Wand

Du hast mal gesagt, du willst alles gefühlt haben, was geht. Und im ersten Moment dachte ich, du bist doch bescheuert, das geht doch so nicht, wer will denn das schon? Und im Moment nach dem ersten Moment habe ich verstanden, wieso und weshalb und dass nur das eigentlich das Ziel sein kann, sich als Mensch vollständig zu fühlen, zu wissen, das Gefühl ist dort und die andere Regung, die kommt von da drüben, wissen, wo oben und unten ist, also ganz genau und in jedem Zustand. Und wir beide haben uns gut verstanden im Schlaf, wir haben ein paar Zustände ausgelotet, wie es sich anfühlt, wenn man auf einem Parkplatz liegt zum Beispiel, wir würden uns in Jahren noch gut verstehen, auch im Schlaf. Den See und das Feuer und das Stockbrot mit den Oliven darin, das haben wir probiert, ohne Feuer wärst du nicht mitgekommen, das war ganz klar, aber ohne dich hätte ich nicht fahren können, weil ich nicht fahren kann, das wusstest du genau. Du willst alles gefühlt haben, was man fühlen kann, bist du denn bescheuert, das geht doch so nicht, am Ende ist dein Verschwinden auch der Versuch, deine Sammlung zu komplettieren, ich muss lachen dabei, weil es so sehr passt, du wirst alles gefühlt haben, was man fühlen kann, dann am Ende, es kann nicht anders sein und du wirst dich erinnern, vielleicht auch im Schlaf, an die Decke am See und die Mücken über dem Wasser und dich und mich, also nebeneinander. Manchmal sitzt dein Großvater auf einer Bank in meiner Straße gegenüber der Baustelle, die es jetzt gibt, er schaut auf den Kran und dann weiß ich, woher du das hast, diesen Blick nach oben und dein Glück, das du so umfasst, dass du aufpassen musst, dass es keine Druckstellen bekommt, du wirst alles gefühlt haben, das verspreche ich dir. Man muss es lieben, dich zu vermissen, du bist doch bescheuert.

Wirst du erwachsen, wenn du verlierst, oder kommst du zurück zu dem Kind, das du warst?

Malmö

Wenn jemand stirbt, sucht man meistens nach den richtigen Worten. Weil man denkt, immer wenn es Irritationen gibt, müsse man etwas sagen. Wir sind das gewöhnt, also dass man etwas sagen muss in den meisten Fällen. Wobei ich glaube, im Verlust ist es am wichtigsten, für einen Moment wortlos und einfach nur zu sein, zu spüren, was fehlt, zu sehen, dass es ein Loch gibt, einen Krater und Nebel. Wenn einem jemand davon stirbt, wenn jemand unwiderruflich geht, kann man oft nicht sprechen, wenn es einem selbst passiert, man kann nur schauen und fühlen und manchmal schreien, aber das sind keine Worte. Im Verlust steckt die ureigene Existenz, weil ja immer noch etwas übrig bleibt, nämlich man selbst, und manchmal auch noch etwas vom anderen, vor allem aber man selbst und nur das.

Und wenn man sieht, wie jemand verliert, einen Verlust durchmacht, denkt man immer, es gäbe etwas zu sagen, man spürt einen Druck und ein Pflichtgefühl, man denkt, es gäbe eine Hilfe, die per Wort zu geben wäre, ja, man hofft sogar, dass Worte etwas besser machen können, weil man in der Beobachtung so hilflos ist, weil man es so schlecht aushält, jemanden leiden zu sehen. Am Ende dient das Wort des Beobachters zuallererst auch der eigenen Erleichterung, denn die Schwierigkeit besteht im Grunde darin, zu schweigen. Auszuhalten, dass man sieht, wie sich jemand quält und leidet und vermisst und Schmerzen hat, auszuhalten, dass es keine Hilfe gibt außer da zu sein und abzuwarten und hier und da zu funktionieren ohne etwas in Frage zu stellen.

Im direkten Verlust gibt es keinen Verstand und keine Logik, es gibt keine Vorstellung davon, wie sich die nächste Minute anfühlen wird und die danach und die danach. Es gibt ein Entsetzen darüber, wie die Welt einfach weitermacht, wie der ganze Rest nichts vermutet von dem, was einem gerade passiert, und plötzlich gibt es ein Unvermögen teilzunehmen, wie man es vor dem Verlust getan hat. Dazu gibt es eine Ahnung davon, dass dies eines der Gefühle ist und diese Tage eine Zeit, an die man sich noch lange erinnern wird. Im unmittelbaren Verlust wird die Veränderung spürbar, denn mit einem passiert etwas, direkt danach weiß man, dass man von nun an Farben anders sieht und Musik anders hört und man bemerkt die klebrigen Erinnerungen, die von nun an grell flimmern.

Es wird eine Weile dauern, sich daran zu gewöhnen. Das Flackern wird nachlassen, aber das weiß man noch nicht.

Ein neuer Ort fürs Wesentliche.

Home

Für Spiegel Online habe ich aufgeschrieben, was das Netz für mich mit Zuhause zu tun hat.

Sympathy is more than just a way of leaving.

And your metaphors (as mixed as you can make them) are linked, like days, together. I still hear trains at night, when the wind is right.“ (The Weakerthans)

Willkommen am schimmernden Ende unserer Welt.

Coby County

„Ich kenne Wesley seit fast vierzehn Jahren, aber ich habe noch nie zu ihm gesagt, dass er aufhören soll, sich etwas vorzumachen. Eigentlich habe ich auch nicht vor, ihm das jemals zu sagen. Denn eigentlich habe ich nichts dagegen, wenn sich Leute etwas vormachen.“ (S.14)

„Solche Sätze sagt Carla oft, sie werden aus ihrer großen Ruhe geboren, und meistens nehme ich diese Ruhe als eine Art Charakterstärke wahr. Nur an schlechten Tagen habe ich das Gefühl, dass mich diese Ruhe enorm träge macht, dass ich irgendwann neben Carla einschlafen und dann keinen Grund mehr sehen könnte, noch einmal aufzuwachen.“ (S.35)

„Am häufigsten muss ich mich an Tagen nach ausgelassenen Festen übergeben, aber das finde ich nicht schlimm. Oft ahne ich es sofort nach dem Aufwachen und eigentlich herrscht dann sogar eine gewisse Vorfreude. Insgeheim empfinde ich das Übergeben als rebellische Geste, als eine Art Befreiung von den Zwängen, mit denen ich lebe und die ich ja alle selbst zu verantworten habe. Wenn ich vor der Toilette knie und würge, weil ich in der Nacht zuvor viel zu viel getrunken habe, dann erdet mich das auf plakative Art und Weise, dann bin ich irgendwie ganz bei mir und maximal ehrlich zu mir selbst.“ (S.47)

„Mein Dad hatte immer eine hohe Stirn, aber das Bewußtsein, dass er eine hohe Stirn hatte, stellte sich bei mir keinesfalls vor vierzehn ein, eher später. Zuvor war es einfach die Stirn meines Dads und ich habe sie mit keiner anderen Stirn verglichen. Als Kind ist man ja in der Lage, die Welt als eine Ansammlung von Fakten zu sehen, das ist eine dieser Fähigkeiten, die man manchmal ganz gerne zurückgewinnen würde, aber meistens dann doch lieber nicht.“ (S.48)

„Paare, die ihren Liebeszustand nicht als vorbelastet oder klischiert wahrnehmen: die gibt es gar nicht, denke ich, die wären ja auch kaum zu ertragen. Insofern waren Carla und ich, neutral betrachtet, vielleicht nie etwas Besonderes. Für mich war es das aber doch, weil ich vorher nie so lange mit einem Menschen, mit dem ich auch ins Bett ging, einen so engen Kontakt gepflegt hatte. Auch wenn wir uns mal einige Tage nicht sahen und keine E-Mails oder Shortmessages austauschten, wusste ich, dass es diese Carla gab, und das hat den Alltag durchaus stabilisiert, wie grauenvoll labil das auch klingen mag.“ (S.95)

„Es ist davon auszugehen, dass auch diese Freiberufler ihren Alltag primär vor Laptops verbringen, still dasitzend und auf irgendeine Weise lesend. Im Grunde vergehen so vielleicht die allermeisten Tage, man sitzt vor Texten und Bildern, man redet und tippt. Hinzu kommen Schlaf und Ernährung und bei einigen noch Sport und Erotik, aber das bleibt ja auch beides eng an Texte und Bilder gekoppelt. Manchmal erstaunt es mich, dass mein vom Dasein und Lesen dominierter Alltag trotzdem ständig Risiken bereithält.“ (S.113)

Schimmernder Dunst über Coby County“ wurde von Leif Randt geschrieben und ist 2011 im Bloomsbury Verlag, Berlin erschienen.

„We are setting fire to our insides for fun to distract our hearts from ever missing them.“ But.

Sun

Die Lippen kobaltblau, am Ende und am Anfang steht man immer am Fluss, die Füße eisschollenkalt, am Ende und am Anfang schneit es immer, die Finger an Scheiben mit Hautresten, ein bisschen du und ein bisschen ich, am Ende und am Anfang ist man immer ganz blind, weil man immer hinein in ein Gestrüpp oder herausschaut, die Knie marineblau, am Ende und am Anfang ist immer erst einmal Ruhe, die Schienbeine landen immer erst an dritter Stelle, die Handflächen an altem Stoff mit ein bisschen dir drin und ein bisschen mir, am Ende und am Anfang ist man immer verfremdet, die Augen in Cyan, alles Wasser ist eigentlich durchsichtig, hast du das gewusst, genau wie der Himmel, hast du das gewusst, genau wie die Grenze zwischen Brauchen und Wollen, genau wie der Knick in der Optik zwischen richtig und falsch, genau wie die Stoppeln am Bein deines Umstands und angelaufene Wünsche am Kinn meiner Sorge, wer sich um wen dreht, fragen die einen, wer aufhört damit, weil er sonst kotzen muss, die anderen, wer besser früher aufhört, weil er weiß, dass ihm schwindelig wird, ist immer der, der sich noch festhalten kann, wer dabei dann den Kopf in den Nacken legt und sich an Kondensstreifen orientiert, der hat es gerade noch so geschafft, ein bisschen du, ein bisschen ich, am Ende und am Anfang ist man immer ganz leicht, weil man sich alles vom Körper geworfen hat und die einen, die kennen das gar nicht mehr, und die anderen, die wollen das gar nicht mehr, eine zerrissene Hand auf dem Bauch, etwas angefangen und nie weiter gekommen, etwas angebissen und nie runtergeschluckt, etwas angestoßen und nicht aufgefangen, etwas verlegt und nie gefunden, etwas gesagt und nicht gehört, am Ende und am Anfang gibt es immer Aussicht auf Irrtum.

This is forever.

Who does and who doesn’t.

Eins

Zwei

Your letter filled the hole in my day like a key.

Emma Bowlcut

„One of my goals is not to ask questions as that implies that this has all happened before and I am merely asking you to tell me how things went. Which isn’t to say I don’t believe in destiny.“

„What happened to your heartbeat. Tell me soon as it’s not a good place to have a question mark.“

„I don’t want to destroy anything. But I want to know what I can destroy. I am possessed by the conviction that I need you like blood needs a vein to get from one place to another.“

„I stood without intention of moving and realized we see every punch coming in a boxing movie but in real life we miss a lot of them.“

„One of my favorite things of all time is when an animal keeps company with different species. It’s often a duck. Maybe you should get a duck for that library you work in. No one would complain. Ducks belong in libraries.“

„And i hope each morning you wake like a bird in a nest and fly without a thought.“

„We are always making choices and then we go to sleep. At separate times.“

„I learned that you can get bruises without external contact. Struck by something to get out from within.“

„You are the reason I get out of bed. To tell you that I have gotten out of bed. Yours are the only questions I want to answer. I live to pocket all your questions marks, as many as I can, in your life. To discard them secretly when you’re not looking.“

„How come naps are so much sweeter than regular sleep. Because it’s the type that you can’t resist, it just takes you.“

„Everything I have done today could have been done by a bear. The long seasoned sleep. The lumbering out of bed. Tearing a hard roll dipped into honey. And then sprawling lazily in the grass where the sun hit. I was going to take a bath but decided that would have been too much bear activity, so I showered.“

„There is a reason ice is slippery. Did anyone laught at you. I have an inhability to help anyone who has fallen. To witness injects me with a paralytic joy. If someone falls in front of me, you’ve never seen such a smile in your life. I’m tickled by the chance that they are learning something.“

(„Letters to Emma Bowlcut“ was written by Bill Callahan and published by Drag City in 2010)

Glaubst du an Autokorrektur?

A

Wenn du küsst, wohin zuerst? Legst du Obst in den Kühlschrank? Schläfst du mit dem Kopf zum Fenster? Passiert es, dass du dich an dir selbst stößt? Und schenkst du etwas, obwohl du sagst, du wirst es nicht? Erinnerst du Geburtstage? Schneiden oder knipsen? Hast du jemals einen Brief geöffnet, der nicht für dich bestimmt war? Legst du dich nach dem Duschen am Morgen noch einmal hin? Wärmst du dein Handtuch an? Was ist dein Lieblingswort? Weißt du, warum Blätter schwarz werden? Wann lässt du das Licht aus? Hast du dich schon einmal von oben gesehen? Zu welchem Moment möchtest du noch einmal zurück? Gibst du Dingen Namen? Telefonierst du gern? Magst du Clowns? Hast du eine Seite? Lässt du mich ausreden? Macht deine Kniescheibe ein Geräusch? Wenn du raus musst, gehst du auch? Magst du deine Stimme? Wen erkennst du nicht wieder? Auf was könntest du am ehesten verzichten? Die Hände müssen sich verstehen, oder? Verwechselst du links und rechts? Schreibst du Listen? Was ist unter deinem Bett? Und weißt du, ob das noch Flut ist oder schon Ebbe? Wo ist dein Unterschlupf? Wie viel gibst du aus? Wenn du ein Gewässer wärst, wie sähe dein Ufer aus? Wann liest du? Wirst du es verkraften? Und lässt du immer einen Rest übrig? Welchen Durchmesser hat dein Kopf? Trinkst du genug? Hast du schon einmal einen Gedanken gedacht, der so wertvoll war, dass du ihn in dir drin nur geflüstert hast? Machst du Dinge eher für dich oder für andere? Findest du auch, dass mein Zeigefinger am besten auf die Stelle hinter deinem Ohrläppchen passt? Hast du schon einmal jemanden beerdigt? Findest du im Abspann den lustigsten Nachnamen? Spielt Reihenfolge eine Rolle? Wo liegt dein Schlüssel? Was bringst du mit von deiner Reise? Und vor allem: Was nicht?