Nach den ersten Schritten sieht es beinahe so aus, als hätte der leichte Wind, der aber immer noch stärker ist als sonst, alle Menschen aus der Stadt geweht, als hätte er sie wie Blätter erst in den Rinnstein und später an den Rand der Kellertür getragen, wo sie sich übereinander zusammenfalten und liegen bleiben, denn verkeilt ist nun einmal verkeilt, das funktioniert auch mit minderer Textur. Als wir das Haus verlassen, fährt keines von den Kindern auf den Skateboards vorbei, die in diesen Tagen zu kurze Hosen tragen, um angemessen würdevoll mit dem Hintern auf dem Asphalt zu bremsen, alle sind auf einmal verschwunden, als hätte jemand die Stadt geschüttelt und jedes Teilchen hätte sich an einen anderen Ort gesetzt als wir.
„Hier singen die Bauarbeiter manchmal“, sagt K., als wir durch die Straße mit den schönen Häusern laufen, in Zürich muss man das betonen, da ist vieles schön dem Eindruck nach, aber diese Häuser sind nicht von gebügelter Schönheit, die Pflanzen haben sich über die Jahre um die Balkone geschlängelt, die Menschen, die dort leben, sind nicht gerade erst eingezogen, die wissen, wem sie vertrauen, wem nicht und wann sie Fenster beruhigt offen stehen lassen können, wo die Bobby-Cars gut aufgehoben sind. Die Straße wird neu gemacht, der Rest wird so gelassen, wir laufen durch ein Tor und dann steht da ein Turm neben uns, in dem Turbinen getestet werden. D. weiß es nicht genau, aber das mit dem Turbinen-Test-Turm klingt so schön und wir recherchieren nicht nach. Wirft man oben eine Möhre hinein, kommt unten ein Möhrensalat heraus. Vorne bei der Tram begegnen wir zum ersten Mal seit ein paar Minuten wieder einigen Menschen und je tiefer wir spazieren, umso mehr werden es. Vielleicht sind auch heute alle nur kraftlos den Berg hinab gerollt und am See ist die tiefste Stelle.
Dort sind alle, nicht nur ein paar, wirklich alle. Alle Künstler und Bankangestellten, alle Kinder, und Halbkinder und solche, die keine Kinder mehr sein wollen. Wir haben die andere Seite des Sees irgendwie verpasst, also lassen wir uns durch diese Menschen treiben, deren Stimmen sich auf mich setzen, als würden sie mich anfassen. Zu viele, zu nah, aber weiter. Und dann steht dieses Paar auf von der Bank, in dem Moment, als ich hinsehe, und wir setzen uns und wenn Geräusche einem nur noch im Rücken Theater machen, dann ist es einfacher sie wegzuschieben. Wir schauen auf die ruhige Seite und meine Beine werden immer länger und reichen irgendwann bis zum Springbrunnen drüben. Ein lang gezogener Ton bedeutet, wir bleiben auf Kurs.
Später, wir haben uns zu Starbucks verirrt und finden kaum heraus. „Das ist wie ein Disko“, sagt D. und sieht müde aus, wovon jetzt genau, weiß man nicht, weil Starbucks in der Einflugschneise zu liegen scheint, die Landebahn für den Rest, und auch hier muss man diesen Regeln folgen, die alle kennen, obwohl sie nirgendwo aufgeschrieben stehen. Dort holst du dir deinen Becher, dann malt jemand Kürzel darauf, dann bezahlst du, dort hinten wird gewartet und erst dann erhältst du dein Getränk, vorher wird noch einmal laut durch den Raum gebrüllt, weil alle es tun und wenn man es dann wieder raus geschafft hat ohne umzufallen oder einfach die Schnauze voll zu haben, dann steht man am Limmatquai, und drüben in der Frauen-Badi schwimmen schon die ersten. In der Bahn nach Hause liest die alte Dame mit der roten Bluse einen handgeschriebenen Brief, er wurde zweimal gefaltet, sie packt ihn auf den Knien aus, die Schrift ist ordentlich, als habe jemand vorher mit dem Lineal unsichtbare Linien gezogen, sie liest ihn einmal und noch einmal und dann steigen wir aus, wir haben dieselbe Haarlänge (und ich wünsche mir, ich werde später, wenn ich so aussehe, noch Briefe auseinander falten und lesen und wieder zusammen falten und in ihr Kuvert zurücklegen, ich wünsche mir, dann einen Ort für sie zu haben, eine Schatulle, und diese nicht umsonst zu besitzen, sondern sie immer mal wieder öffnen zu können).