Die erste Woche Jahr
Das offene Fenster im Nebenzimmer vergessen und dann eintreten wie in eine andere Landschaft, in der kalte, feuchte Laken über den Feldern liegen, eigentlich ganz schön.
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Ich muss das Buch nicht sofort schreiben. Ich lege die Gedanken neben die Seiten in die Schublade und warte einfach ab. Das wollte ich eh schon immer mal machen. Etwas irgendwo vergessen und es dann beim Aufräumen finden und es behalten wollen, mich zugehörig fühlen zu den Gedanken und Worte, sie mir zuschreiben und nicht wie etwas ansehen, in das sich Motten gefressen haben und das man daraufhin in eine Plastiktüte quetscht, die man dann mit dem Müll runterbringt, weil man zu faul ist zum Stopfen, oder es nie gelernt hat.
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Gibt es ein Lexikon für Oberflächen, einen Thesaurus für Textur? Ich komme mir ständig vor, als hätte ich nicht richtig begriffen, wie sich Dinge anfühlen können/sollen/müssen, ich würde gern über Konsistenzen lesen, um mir selbst sagen zu können: „Ach das, das ist nur Abscheu, das muss sich so anfühlen, alles richtig, keine Sorge.“
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In einem Haus zwischen dichtem Nebel sitzen und froh sein, nichts zu sehen. Einfach nichts außer ein paar Baumspitzen und Reif auf den Gräsern und die Fettstreifen, die Nase und Stirn an der Scheibe hinterlassen. Bis zur Heizung ist, soweit die Füße tragen. Später sich wundern, dass Teleportation immer noch nicht erfunden wurde. Immer. Noch. Nicht. Wie fühlt es sich an, sich aneinander festzuhalten und sich kurz aufzulösen, um woanders wieder zusammengesetzt zu werden? Kann es sein, dass dabei ein Teilchen vertauscht wird? Und dann läuft man für immer mit diesem Teilchen des anderen herum, das anfängt, im eigenen Körper zu funktionieren und Aufgaben zu übernehmen und mitzumachen? Als würde man die Augenfarbe tauschen und vergessen, dass das passiert ist.
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In der Kälte fühlt sich Haut nicht mehr wie Haut an, sondern wie irgendwas anderes und für einen Moment ist das auch beruhigend. Also dass man selbst auch splittern kann, ohne sofort kaputt zu gehen.
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Sowieso: Ahnungen weniger Gewicht zuschreiben, und den Fokus auf Fakten drehen. Etwas krächzend, aber mit der Übung wird man besser darin. Und drei Kilo leichter. Weniger meinen, mehr wissen. Mehr weggehen oder sich in Ruhe daneben setzen und zuhören. Gefasel ist eh kein gutes Wort.
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Jemanden von hinten umarmen ist eine schönere Geste, als ich dachte. Denn der andere hat die Hände und die Augen frei und manchmal braucht man ja genau das und dennoch jemanden im Rücken.