Die Sache ist ja die, dass es so viele Sachen sind.

Monat: Februar, 2008

Wednesday (4)

Tuesday (3)

Käme ich jemals in die Verlegenheit, temporär einen Ort für mich wählen zu dürfen, wäre es wahrscheinlich nicht London. Wäre es nicht eine Stadt mit so vielen, sondern etwas kleineres, beschaulicher, wo man die Schrittgeschwindigkeit nicht erst suchen muss. Lieber andersherum. Aber die Müdigkeit am Ende des Tages ist doch immer eine gute hier. Und man entdeckt die Stadt anders, wenn man jemanden im Rücken hat, dem man vertraut. Wenn man allein sein kann, aber nicht muss. Wenn man sich nicht verlieren soll, aber darf.

Monday (2)

Wir schliefen aus. Es schläft sich eben gut in diesem kleinen Zimmer, dessen Fenster man nachts jetzt doch schon offen lassen kann. Und in dem man aufpassen muss, sich nicht riesige Holzscheite vom ungeschliffenen Dielenboden in den Fuß zu ziehen. Und es folgte ein Frühstück aus Croissants, Obstsalat mit Joghurt, Mozzarella und Tomate, sowie Tee und Espresso in dem kleinen Versinkesofa der Küche. Dann in der kleinen, engen U-Bahn in Richtung Oxford Street. Dort einen Kaffee bei Leon mit den schönen Postkarten. Ich verlor schon dort die Orientierung. Aber das mit den vielen Menschen hörte dort nicht auf. Wenigstens kam man sich nicht die ganze Zeit so schlecht angezogen vor wie in der Brick Lane. Über die Carnaby Street ging es in Richtung Playlounge, einem kleinen Laden voll mit Kinderbüchern und Comicspielzeug, sogar Moomin stand in einem kleinen Fach des großen Regals. Man muss sein Geld gut festhalten.

Weiter über die Regent Street mit ihren zigtausend Geschäften (und natürlich Menschen, flatternd und mit Unmengen Tüten bepackt), vorbei an diversen Geschäften für Männer, Frauen und Babies (die Patentante in mir gluckste!), kurz hinein zu Muji in der Oxford Street mit den schönen Kleinigkeiten. Sogar stylische Zahnbürsten gibt es dort. Und durch das Rotlichtviertel ging es dann zum Leicester Square, Plakate gucken, auf einer Bank kurz zur Ruhe kommen, Menschen gucken. Ich könnte eh die ganze Zeit nur dasitzen und gucken. Warten. Atmen. Die Geräusche ausschalten, die Geschwindigkeit verlangsamen, zurückspulen.

Über den Trafalgar Square, noch eine Kaffeepause einlegend und sich über die Stühle freuend, in denen man ganz langsam aber merklich versinkt, noch einmal hinunter zum Wasser, als die Sonne schon weg war. Und wäre Martin nicht, wäre ich wahrscheinlich längst überfahren worden. Das Gewimmel von roten Lichtern, die ständige Ablenkung und dass die Autos in meiner Wahrnehmung einfach doch auf der falschen Seite fahren. Die Straßen sind voll mit Irritationen. Passend dazu abends noch die Portion Gondry hinterher. Schön auch, dass der Gang des Kinos durch die Mitte führt und sich damit niemand um wirklich besten Plätze streiten kann. Die gibt es nämlich gar nicht. Und dann einschlafen bei der ersten Folge Pushing Daisies: „But what if you need a hug? A hug can turn your day around“. Dann von den Kameras träumen, die überall hängen. Auf wie vielen Bändern ist man wohl innerhalb eines Tages zu sehen? Vierhundert?

Sunday (1)

Der erste Eindruck dieser Woche war ein Blick auf glitzerndes Meer, eine zerklüftete Küste und einen braungrünen Flickenteppich aus Feldern. Die Sonne kletterte angestrengt durch die grauen Wolkenschleier, während das Flugzeug landete. Und dann waren überall nur noch Menschen. London ist so unglaublich voll mit Menschen. Alles rennt und schiebt und knistert und raschelt und telefoniert. Alle telefonieren, kleine Jungs, alte Omas. Es scheint, als unterhalte man sich entweder sehr laut miteinander oder man telefoniert eben.

null

Orientierung gibt es noch nicht, ich habe noch keinen eindringlichen Blick auf den Stadtplan geworfen, bin mehr hinterher als voran gelaufen. Mein Blick bleibt an jedem zweiten Haus kleben. Sie stehen alle in Reihe, zusammen gedrückt, alles ist gedrängt. Die Menschen, die Häuser, die Schilder, alles ruft irgendwie nach Aufmerksamkeit, nicht laut und schrill, aber doch konsequent. Und aus der Reihe fällt der, der es schlicht hält und einfach. Der sticht dann doch heraus. Und während ich schon am ersten Tag unglaublich viel Geld ausgebe, wir uns rund um die Brick Lane und Spitalfield Market durch die Mengen schlagen (bei uns sind die Straßen sonntags leer, hier sind sie voll), regnet es sich ein. Bei Kaffee mit dem dicksten und tollsten Milchschaum (ich stelle den Löffel hinein und er bleibt stehen, mit einem Anschubsen schlingert er langsam) versinken wir in weichen Sofas und sehen dem Licht beim weniger werden zu.

Die Einwegkameras sind im Anschlag, das Fotoprojekt in einem Reglement festgehalten. Die Lichter sind genauso bunt wie anderswo, nur sind es viel mehr, die kleinen Häuser scheinen sich zu biegen unter den vielen flimmernden Schildern, aber sie tragen sie doch mit Stolz vor sich her. Und auf dem Markt wird einem ganz anders von den teilweise so geschmacklos gemusterten Stoffen, die auf tausenden von Bügeln reihenweise die Straßen schmücken. Und jetzt stehen die Lichter still vor Fensterscheibe, auf der sich Tropfen sammeln und langsam hinabfließen in Musterbahnen. Das Hochhaus bewegt sich nicht, der Blick liegt still. Wir haben Pfefferminztee.