April in Schöneberg.

Blüten

Du bist zu früh dran, will ich dem Jahr sagen, ich bin noch nicht so weit, will ich der Ampel sagen, ich mag deine Stimme nicht, will ich der Karten-App sagen, als mein Blick auf die Manufactum-Lampe fällt, die auch in jeder zweiten Altbauwohnung hier hängt, auch in Mitte, alle haben dieselbe Manufactum-Lampe und abends noch das große Licht an. Frag ich mich auch immer, wer so macht, abends das große Licht an, „aus aus aus“, sagt A. auch immer, wenn es zu hell ist (nur morgens nicht, da ruft er „Essen essen essen“), da sind wir uns einig (in beidem). Neulich stand er vor einer Galerie, das war nicht in Schöneberg, aber die Fenster waren auf seiner Höhe, noch passiert das selten, und dann steht er und schaut und in dem Moment rief er: „Bilder! Laden! Bilderladen!“, und ich dachte, dass das in unserem Kapitalismus wahrscheinlich so funktioniert, dass die Kinder lernen, dass dort, wo die großen, offenen Fenster sind, gekauft wird. Alle anderen ziehen die Gardinen zu.

Überm Spielsalon hängt keine Manufactum-Lampe, da sprießt etwas unter der Decke entlang, das aussieht wie Efeu. Ich habe gelesen, Efeu stünde für das Ewige und ich frag mich, ob man das im Wohnzimmer haben will, also immer über einem drüber, wenn man Tee trinkt zum Beispiel oder die Füße hochlegt oder sich wieder einmal an irgendetwas verhebt. Als ich um die Ecke fahre, steht da plötzlich das Gasometer, irgendwo zwischen Gleisen, Zaun und Gebüsch kifft jemand, das Licht legt sich langsam hin, man kann zusehen, wie es immer tiefer rutscht und irgendwann weg döst. S. sagt, die Menschen hier hätten schon Bock auf Bürgerlichkeit, „aber die faken das nicht und ziehen ihren Kindern keine Band-T-Shirts an“.

Irgendwo zwischen Rosé und Kräutertee taucht dann auch noch ein Regenbogen auf, und man möchte eigentlich sofort aufs Gasometer klettern. Vorn an der Ecke sitzt eine Frau mit pinkem Haargummi und raucht die Ampel an. Sie wartet auf niemanden, ich glaube, sie denkt nicht einmal irgendwas, sie sitzt nur da und raucht und die blaue Stunde kriecht an ihren nackten Schienbeinen hinauf, ohne sich in ihren Schnürsenkeln zu verheddern, weiter vorne hat jemand verschiedenfarbige Flaschen auf dem Bürgersteig zerdeppert und es sieht aus, als wäre ein Stück aus dem Regenbogen gebrochen und runtergekracht, keine Verletzten. Langsam wanken die letzten aus dem Park am Gleisdreieck, vor dem die neuen roten Absperrungen stehen wie zu groß geratene Zähne, hier kommst du nicht durch, jedenfalls nicht mit derselben Geschwindigkeit, dahinter kommt durchs Halbdunkel ein Skateboarder gerollt, alle sehen aus, als würden sie jetzt wirklich nach Hause fahren (oder das zumindest für in Ordnung halten).

An Sonntagabenden muss man nicht viel sagen, alle summen lautlos, „du weißt, ich würde sterben für dich, um dir ein gutes Leben zu garantieren“. Die Schaufenster der Likörfabrik sind so beleuchtet, als gäbe es ein Morgen und als wäre es ratsam, sich deswegen zu betrinken. „Wir kennen die Stellen, an denen Sachen geschahen, und wir kennen die Gerüche und wir kennen die Gegenstände. Und wir können spüren, wie sie die Form verlieren. Fahr, fahr.“