Die sechsundvierzigste Woche Jahr
Eine kleine Maus frühstückte in einer angebrochenen Käsepackung auf dem Gehweg. Gern hätte ich ihr ermutigend den Kopf getätschelt, weil sie zitterte vor Angst, schließlich flogen an ihr ständig riesige Füße vorbei, und doch einfach sitzen blieb und weiter mampfte. Das mit dem Tätscheln habe ich dann aber gelassen, man bekommt doch so leicht Schluckauf beim Essen, und die Niedlichkeit einer kleinen Maus mit Schluckauf in einer Käsepackung auf dem Gehweg würde ja sowieso niemand aushalten.
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Trump. Es war so ein Morgen wie bei vielen anderen Menschen, als die Eilmeldung das erste war, das ich von der Welt außerhalb des Zimmers mitbekam. Und dann das Sprechen über die Situation. Die einen wütend, traurig, die anderen sprachlos, zickig, erschüttert. Aber auch das wieder nur Reaktionen im engen Raum. Es sind ja noch so viele Räume übrig. Es ist seltsam zu sagen, ich rechnete damit. Genauer eher, wenn ich sage, ich ahnte, dass sich die anderen Menschen wieder zu Wort melden. Dass das Schwelende einen Ausdruck bekommt. Aber jetzt gibt es einen Beweis für das Grundgefühl, für den dunklen Ton, den man schon eine Weile hören konnte. Hierzulande auf RTLII, in den Vorräumen der großen Kinos, in der U8, der U6, bei Netto und Lidl, aber auch der Sauna, hören Sie mal hin, auch dort, wo zerquetschte Frucht einen Zehner kostet, hören Sie da mal hin, wo man es sich leisten kann. Man spricht von Angst ums Vermögen, jetzt wo doch all die Geflüchteten ins Land kommen. Man spricht von Angst vor dem Bürgerkrieg auch hier schon, hören Sie mal hin. Und wir fragen uns in all den Tagen nach der Wahl, wo und an welcher Stelle genau wohl Ehrenämter ansetzen. Wie viele davon eigentlich herumliegen und nicht angezogen werden. Und wie sich Gesellschaft dann ja eben doch aus den einzelnen zusammensetzt, die sich immer vorkommen, als wären sie zu wenig, als würden sie nicht genügen, und dabei vergessen, dass es jedem so geht. Während sich das Einzelne und jeder Schritt in der Masse dann wieder addieren. All die kleinen Handgriffe, Schritte, Minuten, die man hergibt für etwas, für das man nicht sofort eine direkte Belohnung bekommt. Wir müssen uns dieses Hündchen-Ding abtrainieren. Wieder mehr Dinge tun, für die wir nicht beklatscht werden. Und wir müssen anderen davon erzählen, Angebote machen, immer wieder darüber nachdenken und vor allem sprechen. Auch mit jenen, die vielleicht nicht zustimmen. Mit denen wir nicht befreundet wären. Diskutieren ohne einander sofort den Mund zu verbieten. Unterschiede aushalten. Ich glaube gesellschaftlich noch immer an die vielen Säcke Reis, die eventuell doch nicht umfallen, wenn sich ein anderer Sack daneben stellt.
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Auch noch ein Gedanke aus den Tagen danach: die Dankbarkeit für meine persönlichen Role Models. Die ich erst spät fand, aber schon früh suchte. Von der Wichtigkeit weiterzumachen, nachdem auch die meisten Frauen in meinem Umfeld viel entsetzter waren vom Ergebnis der Wahl oder es zumindest offen zeigten als die Männer, wenn der Zynismus sie nicht schon überrollt hatte. Im neuen Jahr werde ich diese Abendessen veranstalten. Frauen, die sich austauschen und neue Frauen hinzu holen. Mit anderen Hintergründen, Erfahrungen, Wünschen und Problemen. Weil wir nicht aufhören sollten, füreinander da zu sein, uns auszutauschen, unseren Dunstkreis zu erweitern. Wer Interesse hat, mehr zu erfahren und/oder dabei zu sein, kann sich gern melden. Auch eine Liste mit Institutionen in Berlin, bei denen man sich engagieren kann für Jugendliche, Kinder oder geflüchtete Menschen, gerade in den Bezirken Kreuzberg und Neukölln, leite ich gerne weiter.