Nichts von einer kleinen Melancholie.
Ich habe schon öfter Texte über’s das Zuhausegefühl geschrieben, das Wiederkommen aus dem Urlaub, die Rückkehr von innerer geistiger Abwesenheit. Das hat alles zugenommen, die Sicht auf dieses Gefühl, sie hat ihren Horizont verbreitert, weil ich jetzt woanders lebe, den Wohnort gewechselt habe und ein bisschen wechselt man ja auch das Drumherum, weil man schaut, wer da so wohnt, und das Alte mehr und einen anderen Aufwand bedeutet als früher.
Und dann sitze ich im Zug, bekomme im Großraumabteil kostenlos einmal Röntgen und Grippeimpfung ohne Pieken, denke eine Sekunde an die, die ich in den nächsten Tagen treffen werde, und spüre den Faden, der mich mit dieser Stadt verbindet, wie eine Brandwunde. Berlin ist die Tätowierung, mit der ich schon geboren wurde, und ich werde sie nie bereuen. Und das Gefühl jetzt hat nichts mit einer kleinen Melancholie zu tun, das ist das breite Grinsen, wenn man weiß, dass man sich nicht verliert. Egal, was und wie viel und wer kommt. Mir genügen schon Bruchstücke an Erinnerung und alles baut sich wieder auf, die alten Fassaden, das Klirren der Saftflaschen, die hohe Stufe vor dem Konsum, ich weiß, wo ich eine halbe Stunde mit der Gitarre stand, weil ich wissen wollte, wie das ist für all die Straßensänger. Und ich weiß, wie das Haus gegenüber aussah, als ich verkündete, jetzt aufzuhören, weil man Kindern ja eh nichts geben würde, da könne ich nichts dafür, das wäre eine Einstellungssache von Erwachsenen. Ich kann dir sagen, wie viele Supermärkte schon auf der Ecke standen, an der du jetzt dein Büro vermutest. Ich weiß noch von dem Geruch des ersten Spielzeugladens meines Lebens, der war im Westen, ich weiß den Weg zum Spielplatz mit dem Trampolin aus dem Kopf, auch wenn es ihn nicht mehr gibt, den Weg, meine ich. Auch wenn die Stadt den Mauerstreifen an Hotelbauer verkauft, auch wenn irgendwann der Fernsehturm umfällt. Ich weiß ihn noch, und die Farben der Eiskugeln im Café, das sich dreht. Wo man klingeln musste, wenn man zu spät nach Hause kam, das Geräusch vom Parkett, der Stein, an dem ich mir das Nasenbein angebrochen habe, wurde längst verbaut, aber ich seh ihn jedes Mal in grauem Schimmer auf dem Weg zur Autobahn. Das geht nicht weg.
Kommentare
genau das kenne ich auch. ich habe das heimweh nicht überlebt und bin zurückgekommen. das ist berlin und dieses gewisse etwas, das die stadt versprüht. es bleibt an dir, wohin du gehst, auch wenn es weh tut, dass es nicht mehr da ist, ist es schön, dass man es erleben durfte.
… bei dir ist es anders…keine melancholie, nicht mal eine kleine… du schreibst es ja selbst, aber es ist so ein grundgefühl, mit der stadt besonders verbunden zu sein, das ich zu gut kenne. das musste ich nochmal ergänzend sagen. alles gute wünscht monfiwi.
kannst du mir den letzten satz einrahmen und zuschicken?
hach, wunderbar.
Wie wahr! In Berlin ist einem einfach nie langweilig. Nachdem ich mehrere Jahre in anderen Städten gelebt habe musste ich feststellen, dass nur Berlin mir das Gefühl von „Zu Hause“ gibt!
Wow, hat mich echt berührt der Artikel… sehr schön geschrieben und auch inhaltlich toll. Ich glaub da werden noch viele mitfühlen können. DANKE!
das druck ich mir doch glatt mal aus.
Ih ja das Gefühl kenn ich nur zu gut.
Ich kenne auch noch alle Wege die ich zum Spielplatz, oder zu Freunden gegangen bin und eigentlich auch keine Wege sondern Abkürzungen über Wiesen waren. Es ist bei mir zwar nicht Berlin, aber in meiner Kleinen Heimatstadt im Osten ist fast alles noch so geblieben wie es früher war und wenn ich zu Besuch bin, würde ich am liebsten da bleiben. Doch die Arbeit führt mich auch immer wieder in neue Städte die jedesmal etwas besonderes haben, doch die tiefen Erinnerungen an das was früher war bleiben immer da und man denkt einfach zu oft an die Heimat.
Schöner Text. Da musste ich einfach kurz inne halten.