Faro II

Faro

Ankommen ist immer anders, es gibt kein Rezept und keinen Plan, ankommen muss man eben können, man muss in der Lage sein zu sehen und aufzunehmen und einen Platz finden und dann erst, dann kann man ankommen, also sich zurücklehnen und da sein, man kann nicht sagen, dass es dauert, sowas geht manchmal ganz schnell, das ist auch so eine Sache, die ist von Ort und Mensch und Zeit und Blutdruck und Wetter abhängig, von dem, was man daheim gelassen hat und was vielleicht nicht, ankommen kann man nicht lernen, aber trotzdem besser werden darin. Ankommen ist immer auch ein bisschen Zufall und Glück.

Im Schatten ist es frisch, wir bestellen in einem kleinen Café frischen Saft, Pastéis de Nata, Sandwiches und Galão, der Wind fegt alles, was man nicht festhält, vom Tisch. Es ist ein guter Platz da auf der Avenida da República. Das ‚N Coisas‘ ist relativ neu, eines dieser Cafés, deren Besitzer glauben, man müsse viel Glas, Kunstleder und Dekorationsartikel verwenden, um modern und neu zu sein. Der Name bedeutet ‚1000 Sachen‘ und der Kaffee ist sehr gut. Dass die Bedienungen sich an uns erinnern werden, wissen wir noch nicht, aber die Einheimischen kommen auch hierher, vor allem die älteren, wir mögen das. Wir sitzen und frieren und schauen den Busfahrern zu, die hier Pause machen und sich die Krawatten lösen, denn gegenüber ist das Hotel Eva und im Hotel Eva ist ein riesiges Loch, in das permanent Busse fahren. Das Hotel Eva scheint die Menschen auszuspucken und die Busse zu verdauen, denn irgendwie fahren alle immer nur hinein und nie ein Bus hinaus. Ich kaufe einen Ring im Crazy Shop, und Sonnencreme.

Manchmal liegt ein Rauschen in der Luft, wenn man durch die schmalen Gassen der Altstadt läuft, das ist dann nicht das Meer sondern ein tief fliegender Storch, sie nisten überall auf den Kirchen und klappern laut mit den Schnäbeln. In der Rua Batista Pinto steht N. vor einem Haus, das gerade renoviert wird, und schaut hinein, sie dreht sich um, ich warte auf der anderen Straßenseite, sie grinst. Einer der Bauarbeiter hat sie bemerkt und bittet uns hinein, er kann kein Englisch, aber er führt uns durch die hohen Räume, als gehörten sie ihm, zurückhaltend, aber stolz. Auf Holzplanken laufen wir über die Baustelle, an allen Ecken und Enden verputzen sie die Vergangenheit, säubern und restaurieren. Seine Kollegen fragen vermutlich, wer wir sind, was wir wollen, er spricht mit beruhigender Stimme und wiegelt sie ab, in jedem Raum wieder. Wir klettern über eine Treppe auch in die zweite Etage, überall sitzen Männer mit Helmen zwischen Zementsäcken und morschen Türrahmen aus dem Jahr 1878. Ein Hostel soll es werden, und ich bekomme Gänsehaut.

In der Rua da Porta Nova dann die zwei grau melierten Herren auf der Steinbank, zwischen ihnen mit weißer Farbe „No comment“ geschrieben, sie sitzen dort zurückgelehnt und unterhalten sich, pinkfarbene Blüten hängen wie ein Wasserfall über ihnen, die Tür daneben steht offen und wieder gehen wir nach kurzem Zögern einfach hinein. Dahinter ein Raum voller Staub und Fliesen, Kartons voller Kacheln und der riesige Schreibtisch des Besitzers, auf dem sich das Papier stapelt, Notizbücher, Rechnungen, Zettel. Die fünf Minuten, die wir allein im Laden sind, bevor eine Touristengruppe einfällt, sind ruhig und kühl. Vor den kleinen Holzhäusern, wo die Boote zu den Inseln ablegen, liegt ein dicker Hund und schläft. Ein Katzenbaby hat sich auf den Lenker eines Mofas gegen die Windschutzscheibe gelegt und beobachtet uns. Wind, Wasser und Plakatreste haben große Figuren und Monster auf die hellen Steinmauern in der ganzen Stadt gemalt. Wenn ein Haus leer steht, werden alle Türen und Fenster zugemauert, ich erschrecke ständig davor. Manchmal wird ein kleiner Spalt offen gelassen, der ein Vorhängeschloss freigibt. Keine romantischen Gründe.

Wir laufen, bis wir nicht mehr laufen können. Wir verlaufen uns, bis wir uns nicht weiter verlaufen können und den Kreis erkennen, den man in Faro automatisch geht, wenn man nicht aufpasst, man kommt immer zum Hafen zurück. Ich beobachte den alten Herren, der die beiden Jungs von der Schule abholt. Die Kinder zeigen noch aufgeregt auf die Störche, ihn kostet das nicht einmal einen Augenblick. Für zwei kleine Bier bezahlt man auf dem Platz zusammen 2,40 Euro. Dort schauen sie alle die Weltmeisterschaft, die Portugiesen, ein paar Touristen, die Schüler, die schon frei haben, und die Männer, die Pause machen dürfen. Die Älteren sitzen im Schatten, die Jüngeren tanzen bei jedem Tor auf den roten Stühlen des Biersponsors. Wir kaufen Churros, der Zucker klebt in den Mundwinkeln, über uns kreisen aufgeregt die Schwalben. Portugal fliegt raus, aber man merkt es den Menschen nicht an, kein Gezeter, keine Tränen, sie machen einfach weiter, gehen heim, essen Abendbrot. Nachts flattert die Plastikfolie, die T. als Sichtschutz an die unteren Fensterscheiben geklebt hat, wie ein Segel. Ich träume, dass K. den spanischen König heiratet. Meine Haut ist so warm. Ankommen dauert einen Moment.