Commotio cerebri.

Felden

Ein Jahr wie ein Leben, die Hälfte ist jetzt rum, von nun an ist einem alles egaler, sagen sie. Das ist die beste Zeit, sagen sie. Und ich halte meinen schwitzenden Kopf unter eine Pumpe, deren Schwengel mir auf den Kopf knallt. Eine Situation wie aus einem Comic mit Plonk und Sternchen und weil es so absurd ist, auch mit einem verirrten Lachen hinterher, einmal kurz nicht achtsam gewesen und schon hallt das Geräusch von Metall auf Knochen noch nächtelang nach, als hätte der Sommer mir eine gescheuert, aber keine Schlägerei, kein mit Bedacht gesetzter Schlag, sondern ein Schwächeln, ein Nachgeben des Wetters, zuviel Gravitation und dann auch noch mein Schwung, „das kann nicht gut enden“, sagen sie später in meinen Halbträumen, „das war ja klar“. „Akute, vorübergehende Funktionsstörung“, könnte man auch gut finden, wäre man in der Lage seinen Körper unfallfrei zu verlassen und die Dinge geordnet und klar von oben zu betrachten, kann man aber nicht, deswegen die Befindlichkeit nur mittelgut, als der Sommer sich danach in sich selbst übergibt, „etwas übertreibt“, ich beschwere mich nicht, ich liege in der Nacht, schwitze Laken durch, kann den Weg zum Kühlschrank im Halbschlaf (vermutlich schon immer), versuche, den Kopf ins Tiefkühlfach zu stecken, aber der Kühlschrank ist klein und der Kopf im Verhältnis (aber nur im Verhältnis) etwas zu groß, (kennst du das, wenn man meint zu spüren, wie das Gehirn an den Schädel klatscht?), und dann liegt man und merkt das Gepumpe von Blut und dem sonstigen Gelumpe, das durch einen hindurch muss, die Maschine läuft weiter, das kann sie ganz gut, das Jahr läuft auch weiter, das fragt man ja eh nicht, von nun an ist uns alles egal, „anterogade Amnesie wäre auch was für die Zeit nach Trennungen“, meinte L. neulich, „da könnte mal jemand ein Konzept für schreiben“, meinte sie noch hinterher und spuckte den Eiswürfel ins Gebüsch, „das hält man ja im Gaumen nicht aus“.

Dass wir vergessen und uns wieder wie selbstverständlich verlieren. In all den freundlichen Kleinigkeiten, die am Ende zählen werden. Essen und TV-Serien und Freunde, ein Kaffee auf dem Balkon, und der Hund, der nett schaut. Wir haben für Sekunden in die Hölle geblickt und sind gerade noch einmal davon gekommen.Es ist jetzt Juli, ein Jahr wie ein Leben, zur Hälfte vorbei, wir hecheln uns durch die Hundstage, wir beschweren uns nicht im gesprochenen Sinne, vom wortwörtlichen jedoch haben wir noch nicht genug Abstand, manchmal müssen wir uns vor Schaufenstern schütteln und wieder gerade hinstellen, man merkt das ja kaum noch, wenn man nur so geht. Ich habe dann wieder die Stimme der Ärztin im Ohr: „Vermeiden Sie ruckartige Bewegungen“. Okay, denke ich und lege mich sanft in die Kurve, so sanft und langsam, wie ich nur kann, das ist beinahe wie Einschlafen, aber auch das weiß man als Kind ja nie zu schätzen (wir sind jetzt erwachsen, auch wenn es nicht so aussieht), deswegen immer den Schildern nach, sanft in der Kurve, keine Eile, „das ist die beste Zeit“, sagen sie, „von hier aus kann man alles sehen“. Was war und was kommt und die seltsamen Menschen auf der Überholspur und das Getier am Wegesrand und man müsste doch ein Unmensch sein, würde einem nicht zumindest kurz schwindelig davon. Glaub mir, das Gewitter kommt bald und dann Fenster auf, Licht aus und warten.