Polymer.
Sie raucht nur, wenn es heiß ist, wenn es so heiß ist, dass sie auf den Terrassenstufen keinen normalen Schritt machen kann, weil die Steine dampfen, weil alles dampft und die Bäume sich keinen Millimeter bewegen. Sie raucht nur, wenn die Luft steht, weil der Rauch dann beinahe senkrecht nach oben steigt, in jede Richtung fliegt, in die sie ihn schicken will, er gehorcht ihr dann aufs Wort, sie stellt sich dann im Badeanzug auf die Terrasse und spürt, wie an der kleinen Stelle, an der die Kunstfaser unter ihrem Busen nicht die Haut berührt, die Schweißperlen laufen, sie nimmt die Zigarettenschachtel aus der Schublade des roten Plastikschränkchens, das draußen steht und in dem sonst nur Gartenwerkzeug, ein paar Schraubenzieher und alte Blumentöpfe und Blumentopfunterteller aufbewahrt werden. Neben der Heckenschere und den Handschuhen liegt die Packung Zigaretten. Das Plastik des Schränkchens stinkt, wenn es heiß wird, aber sie haben keine Alternative, sie kümmern sich nicht darum, man riecht es auch nur, wenn man nahe herangeht, aber das tun sie nicht, das macht höchstens N., wenn sie Extrageld bekommt und man ihr genau sagt, was sie im Garten zu tun hat, die kniet sich dann umständlich vor das Schränkchen und wirft alles heraus und später wieder hinein, meistens hat sich dann gar nicht viel getan, also wenn N. sagt, sie sei fertig, aber das ist auch egal, man soll die Sachen ja wachsen lassen und der Pool steht eh nach vorne raus, der Pool. Da kann hier hinten auch passieren, was will, da kann sie also auch rauchen und niemand wird es sehen, die Dinge wachsen ja auch, wenn sie niemand gießt, irgendwo nehmen sie das Wasser schon her. Sie fragt sich, wie sie das machen, diese Gestrüppe, die machen einfach immer weiter und sehen immer so aus, als solle das einfach so sein. Ich tue einfach so, denkt sie sich, wenn die Nachbarn fragen, als solle das wirklich so sein, Bio sagen sie immer, Bio kaufen sie immer, und wir lassen eben wachsen, nicht wahr.
An den Innenseiten der Wangen, der weichen Haut, wird es heiß, an den Zungenrändern bitter. Selbst die schmalen Linien zwischen den Steinplatten, die mit Kieseln gefüllt sind und bei leichtem Regen am schönsten aussehen, weil sie so schimmern, sind heiß, manchmal bleibt ein Kiesel zwischen ihren Zehen stecken, wenn sie darüber schleicht. Sie nimmt jedes Mal nur eine Zigarette, sie legt die Packung sofort zurück, schiebt sie vorsichtshalber bis an den hinteren Rand der Schublade und legt die Gartenhandschuhe davor, immer gleich, Finger nach links, Schlupfloch nach rechts, sie holt die Streichhölzer aus der Küche, die dort liegen, weil die Packung so hübsch ist, aber man braucht keine Streichhölzer, wenn man einen neuen Herd hat. Doch N. hat sie aus ihrem Urlaub in Kroatien mitgebracht und sie ihnen gemeinsam mit einer Kerze voller Muscheln geschenkt, eine Kerze voller Muscheln, ja mit Muscheln beklebt, die Kerze steht im Bad und wurde noch nie benutzt. Es ist so weit ins Bad, dass man die Streichhölzer schon völlig vergessen hat, wenn man dort angelangt ist, es ist ein weiter Weg, den man dann, wenn man ihn einmal bewältigt hat, nicht mehr zurückgehen möchte. Sie bleibt dann einfach und badet im Dunkeln, er findet das seltsam, ihr macht es nichts aus. Unbekleidet durchs Haus zu laufen, wenn er da ist, findet sie schlimmer. Die Wanne ist ein kleines bisschen zu lang, sie rutscht jedes Mal hinunter und findet keinen Halt an der glatten Oberfläche, sie ist zu klein, um sich mit den Füßen am unteren Ende abzustützen, aber für Schwerelosigkeit ist die Wanne zu schmal, das hätte sie probieren müssen vorher, denkt sie jedes Mal, vor der Sanierung, da hätte sie sich einmal reinlegen müssen, aber sie hat darüber nicht nachgedacht, über Wannenlängen nicht und so etwas wie Ambiente nicht, obwohl der Sanitärfachgeschäftsangestellte das so oft erwähnt hatte. Ambiente, hatte er gesagt, immer wieder, Ambiente Ambiente. „Bambini, Cappucchino, Ambiente!“ und sie hatte ihn einfach nicht verstanden.
Sobald sie wieder im Schatten des Wohnzimmers steht, zieht sie sich die Latschen an, das Plastik klebt an ihrer Fußsohle, sie zupft am Stoff des Badeanzugs über ihrem Dekolleté und pustet sich von oben kurz hinein. Dort wo der Schweiß läuft, wird es dann kühler. Sie schließt die Terrassentür, wirft einen Blick in die Äste der Bäume und dreht sich dann um, nimmt den Schlüssel von der Kommode im Flur, verlässt das Haus durch die Vordertür, lässt sie ins Schloss fallen, was man nicht hört, denn er hat etwas einbauen lassen, das macht, dass die Türen nicht mehr knallen, man kann keine Schrank- und keine Zimmertüren werfen in diesem Haus, alles wird abgefedert und schließt sich dann lautlos, sie wirft den Hausschlüssel ins Gras, lässt die Schlappen von den Füßen gleiten und steigt in den aufblasbaren Pool. Zwei ältere Damen stehen an der Bushaltestelle, sie ist sich nicht sicher, ob sie zu ihr oder einfach nur gegen die Sonne starren. Sie legt sich mit dem Nacken auf den Gummirand, sodass das Wasser im Pool langsam herausläuft. Ein kleiner Sturzbach, das ist ihr liebstes Geräusch, die Falten des Poolbodens drücken sich in ihre Oberschenkel, das Wasser ist kühl, weil sie es vor zwei Stunden frisch eingelassen hat, sie riecht den Rasen, das Gummi und das leicht modrige der Garagenleitung. Der Bus kommt in vier Minuten, dann wieder einer 12 Minuten später. Sie dreht das Gesicht zur Seite, saugt das restliche Wasser vom Gummiboden auf, zieht es zwischen den Zähnen hindurch und spuckt es in die Luft, sodass es wieder zurück auf ihr Gesicht klatscht, nicht wie Regen, aber wie irgendwas. Morgen muss sie die Rede halten, sie hat noch kein Wort geschrieben, sie hat noch nicht einmal den Entwurf gelesen, den V. ihr geschickt hat, aber morgen muss sie die Rede halten und unter der Bluse wird man die Ränder des Badeanzugs nicht sehen.