And your hair to the left

Mit dem Fahrrad durch den Nieselregen fahren am Ufer entlang, den Pfützen ausweichend und dann noch über das glatte Kopfsteinpflaster balancieren, ein paar stehen vor den Restaurants und rauchen, die Mäntel nur über die Schultern gelegt, die Schals darüber, von einem Bein aufs andere tretend, ich fahre langsam und denke an ein Lied von J., „als wir in großen Buchstaben auf die Wagen schrieben“, das ist nun vielleicht fünfzehn Jahre her, dass wir das Lied zusammen gesungen haben, klingt kürzer, als es sich anfühlt. An der Kreuzung kurz einen Blick die Straße hinunter werfen, dort hinten wurde vor zwei Tagen wieder eine Frau überfahren, am nächsten Tag fand die Mahnwache statt. C. schrieb mir, weil sie an der Unfallstelle vorbeikam, es ruckelt in uns jedes Mal wieder.

A. spielt die Melodie von Darth Vader auf der Gitarre und mit dem Blick auf sein Größerwerden fühlt es sich an, als wäre ich schon eine Ewigkeit da, ich kenne ihn, seit er geboren wurde und jetzt sagt er plötzlich Worte wie Gierschlund.

Am Morgen trete ich auf die Brücke, der Himmel kann sich noch nicht entscheiden, was er sein will, also ist er alles auf einmal, fährt vor mir eine Frau auf dem Fahrrad unter den U-Bahnbrücke hindurch und genau in diesem Moment kackt ihr eine Taube mitten auf den Fahrradhelm., Es klatscht, ein paar Menschen drehen sich um, die wenigsten wissen, woher das Geräusch kam.

Zeilen im Briefkasten aus Sevilla und eine Erinnerung der Krankenkasse daran, dass ich jetzt 35 bin, ein Alter der Vorsorge. Auch ein gutes Wort. Die Zeit vor der Sorge. Oder eine kleine Form der Beunruhigung. Auf Opas Balkon, von dem aus man über die Dächer sehen kann, weil der siebte Stock dafür hoch genug ist, könnte man Kürbisse ziehen. „Das ist eigentlich vorbei“, sagt er und wendet sich ab, „das sehen wir dann.“ Auf dem Flur im Erdgeschoss begegnen wir einem schwarzen Pudel im Regenpullover. Aus dem Zimmer der Ergotherapie riecht es nach Kuchen. Am Tisch sitzen neun alte Damen in pastellfarbenen Pullovern aller Nuancen. Gebacken wird nach den Rezepten ihrer Vergangenheit, sie geben den Ton an und die Mengenangaben. Manche schauen nur zu, andere schneiden die Äpfel in Stücke, feiner als der Nagel des kleinen Fingers. Die große Nährwerttabelle will Opa bei sich behalten, die sollen wir nicht mitnehmen, er schaue dort oft hinein. Wir falten Stützstrümpfe. Sie sind zu klein, aber auch sie sollen bleiben.

Als wir nach drei Stunden aus dem Theater kommen, riecht es nach Schnee. Am Morgen danach spüre ich den Wein, wache quer im Bett auf und suche den Monolog aus Crave von Sarah Kane, den ich vor zwölf Jahren mal auswendig konnte. „(…)And watch great films and watch terrible films and complain about the radio and take pictures of you when you’re sleeping and get up to fetch you coffee and bagels and Danish and go to Florent and drink coffee at midnight and have you steal my cigarettes and never be able to find a match and tell you about the the programme I saw the night before and take you to the eye hospital and not laugh at your jokes and want you in the morning but let you sleep for a while (…)“ Das Ende des Januars liegt herum wie der Teppich im Treppenhaus zum Rang, eine festgetackerte Decke, über die man nur ein bisschen langsamer als sonst hinweg gehen kann mit einem kurzen Blick in die langen Spiegel, in denen man nicht sich selbst, sondern die anderen sieht.