La Gomera #5
Im Weiterleben wird man besser irgendwann, für manche wie mich bleibt es immer eine Aufgabe. Diese Abende werden nicht verschwinden, an denen diese riesige Ungerechtigkeit wie ein Abendlicht im Rückspiegel herumliegt. Grell, blendend, so schön, dass einem die Spucke wegbleibt, und gleichzeitig zum Heulen. Im zweiten Haus stehen überall Bücher. K. und ihr Mann wohnen schon lange hier, haben alles selbst gebaut, die Ställe neu verputzt, neue Türen eingezogen, andere geschlossen und verstellt, die alten Wände wieder bewohnbar gemacht. Das Wasser damals aus dem Fluss geholt, den es heute nicht mehr gibt, für all den Zement, so oft am Tag sei sie gegangen, hinunter und hinauf mit Kanistern. Jetzt kommt das Wasser aus dem gelben Rohr neben der Schotterpiste, das von kleinen Ventilkästen unterbrochen wird immer wieder. Wenn man nachts an ihm vorbeifährt und das Autolicht an ihm entlang flackert, scheint es wie eine Begrenzung, dahinter ist es schwarz und tief und man fiele weit, würde man fallen. K. sagt, auf den Serpentinen schnalle sie sich manchmal ab in der Hoffnung, im Falle eines Unfalls aus dem Wagen zu fliegen, man sei gearscht, wenn man im Wagen gefangen sei, ich senke den Blick, wir lachen trotzdem alle. Angeblich geht das Rohr wie ein Faden um die ganze Insel. Es gibt eine Henne namens Pirouetta, wir haben sie nie gesehen, K. und ihre Familie haben sie geschenkt bekommen, das Tier lebe frei, manchmal käme sie eben vorbei, manchmal wochenlang nicht. Ein Besucherpaar habe sich sehr in die Henne verliebt, seitdem sähe man sie nicht mehr so häufig. Nachts krabbeln Eidechsen durch das Bad, die Frösche quaken vom Tal hinauf. Im einzigen Nieselregen dieser Wochen sitzen und sich nicht bedecken, weil er so leicht ist, dass man manchmal nachspüren muss, ob er denn wirklich auch da war. Unter der dicken Regenbogendecke wegnicken mit den Wolken im Rücken und beim Aufwachen denken, jetzt nochmal auf den Berg. Die verzettelten Biografien von Unterleuten genießen, immer mit Blick zwischen den Palmen hindurch, O. schreit immer, wenn die Fähre sich durch das kleine Dreieck zwischen den Bergen schiebt. Er klettert dann auf das Geländer und zeigt so lange mit dem Finger auf das Schiff, bis es verschwunden ist. Er ruft ihm meistens noch zwei, drei Mal nach. Wie die Hand, die man auf den Serpentinen dann doch aus dem Fenster hält, weil nur dann alles zusammenpasst, das Lied und der Wind und das Licht und wie sich alles am Straßenrand bricht.