Rollenware.
An meinem Tisch sehe ich den ganzen Tag nur Füße, alle eingepackt, alle sorgsam verschnürt. Wenn die Sonne herauskommt und die Wetterberichtssprecherin gut geföhnt ist, dann kann ich sehen, wie sich morgens fünf Minuten mehr Zeit genommen wurde für den Bimsstein, man schrubbelt die Hornhaut weg, es gibt jetzt sogar elektrische Bimssteine. Sowas braucht der Großstadtmensch, er möchte sich mit dem Handgelenk keine Mühe machen, nicht schon morgens in der Dusche, deswegen kauft er Batterien für das Gerät, das leise an den Verhornungen kratzt, er kauft gleich die richtigen, da sind sich all diese Geräte ähnlich und der Großstadtmensch hat ein Auge dafür. Aber nicht auf mich, in Sichthöhe habe ich nun das Fenster abgeklebt. Wenn ich bequem sitze, sieht man nur meinen Scheitel. Wenn ich mich konzentriere, nur die Wand hinter mir, so ein Ladengeschäft wird man ja nicht los, wenn man es einmal hat, nicht einmal in der Großstadt, in die Fenster eines Ladengeschäfts schaut der vorbei eilende Großstadtmensch automatisch suchend hinein, auch etwas gelangweilt, aber niemals unvoreingenommen, niemals ohne Erwartung. So ein Schaufenster wird niemals ein Knopf sein, auf dem „Haltewunsch“ steht, den schaut niemand an, der wird nur benutzt, geschaut wird immer nur auf die Anzeigetafel, den Haltewunsch betätigt der Großstadtmensch ganz beiläufig, Hauptsache raus bald. Aber ein Ladengeschäft, da sieht er hinein, da hat er schon fünfzehn Satzanfänge für den Gedanken danach im Kopf, die von Beschwerde über Einkaufsliste bis hin zu Verwunderung reichen können, eine simple Feststellung passiert selten, die Meinung des Großstadtmenschen sitzt schon im Gedanken, bevor überhaupt gedacht wurde. Deswegen habe ich diese Folie gekauft und behutsam auf die Scheibe geklebt, bloß nicht stolpern im Auftrag, keine Rillen hinterlassen, keine Irritation, an den Rändern franst sie etwas, das macht nichts, der Rand liegt im Schatten der Hauswand. Wenn der Großstadtmensch nicht eilt sondern flaniert, sieht er nur meine Schienbeine, die Knöchel, die Füße, die Fußmatte, den Boden, den Papierkorb, die Tischbeine; die Tasche sieht er nicht, die steht auf dem Tisch, genau wie das Glas und der Stift und das Blatt und die Postkarte und die Lampe, die Lampe kann er erahnen, ich weiß, aber das macht nichts, mich ja auch. Mich kann man erahnen, aber zwischen da draußen und mir sind immer noch Staub und Glas und Folie und Luft, so viel Luft.