Inventar
Es gibt eine Autobahnfahrt und es gibt diese Landstraßen und manche davon sind Alleen, die jetzt im Winter nichts mehr haben von der Idylle außer vergilbte Heuballen am Rand, die jemand vergessen hat abzuholen, und es gibt den schlechten Radioempfang und dann die CD, die irgendjemand mal im Auto vergessen hat, und die wir am Ende lieber ausmachen, und dann gibt es noch den Lidl und den Aldi und einen Penny und die Tankstelle, ein Nagelstudio, einen Schreibwarenladen, im Ort dahinter ein kleines Hotel, eine S-Bahn-Station, einen Computerfachmann, eine Werkstatt, Fashion & Mehr, das Mehr schreiben sie groß, als hätten sie Meer schreiben wollen, ist aber ein See da vor ihrer Tür und im Sommer kommen zu viele und im Winter zu wenig. Es gibt diese Dörfer, die nur eine Straße haben, eine Straße immer geradeaus und manchmal einen Vorgarten mit Metallzaun und dahinter Fenster mit zugezogenen Gardinen und in der Fassadenfarbe toben sie sich aus, alle Nuancen an Lachs gibt es, die Seitenwände werden nicht gestrichen, nur die Fassade nach vorn, manchmal Mint auch, wie lange haben sie dafür gestritten im Dorfrat, hellblaue Dächer.
Am Friedhof gibt es eine dunkelgrüne Umzäunung, eine silberne Türklinke, die man nur ein bisschen herunterdrücken muss und schon springt die Tür auf, ganz sauber, kein Abdruck, kein Schweiß, es gibt Grabsteine, zwei drei Kreuze, und wenig Platz dazwischen, die Parzellen im vorderen Teil sind eng geplant, drumherum noch viel unangetasteter Rasen, aber dort, wo schon losgelegt wurde, da platziert man effizient, selbst jetzt im Januar ist ordentlich geharkt. Es gibt Gestecke und Wintergewächse und ordentlich abgewischte Töpfe und die zu dicke Metallschrift auf den Steinen, es gibt keinen Ort zum Sitzen, jedenfalls keinen, an dem man sich nicht komisch vorkommt, aber es gibt die kleine Kapelle, in der wir noch nie waren, und die niedrigen Wohnhäuser drum herum, die Schule am Ende der Straße, direkt am Wald, es gibt einen Müllplatz fürs Plastik und einen für den Biomüll und einen für alles andere, wo nichts drin liegt, es gibt einen Wasserhahn und leere, ausgespülte Gemüsegläser, es gibt knackendes Eis, sofort berstendes, brechendes Eis, es gibt nicht einmal Schnee und keinen anderen Menschen, dich nicht und mich nicht, aber weiße Ranunkeln und die Angst, sie könnten heute nacht nicht überleben, es gibt Tannen, ich weiß, ringsum sogar, einmal rum, und die Schienen in der Ferne, ich weiß, und den See und keinen Lärm und nicht so viel Besuch, denn das nervt, ich weiß, aber es gibt Palpitation und wie du damals gesagt hast, du bleibst.
Kommentare
Vor allem der zweite Absatz hat es mir angetan. Das Jahr wird kurz sein, aber ich hoffe, es kommen ein paar Einträge von dir.
Mich berührt immer wieder Ihre vielschichtige Sicht auf die Menschen, Dinge und Ereignisse. Es macht neugierig, Lust auf mehr und bringt die grauen Zellen auf Trab. So weit so gut, und oft auch besser. Aber es wird für mich aber auch zunehmend komplizierter und anstrengender, den immer länger werdenden Wortketten und Sätzen zu folgen. Vielleicht bin ich zu langsam und eines Tages biege ich ab, bleibe stehen und lasse Ihre Gedanken und Texte vorauspreschen. Es kommt mir vor, als wenn Sie fliehen…