Too much pretense here

Abends als ich nach Mitternacht über die leere Wilhelmstraße unter dem vollen Grießbreimond nach Hause fahre, der Sommer ist da, er legt sich mit schwitzenden Armen auf unsere Schultern, als ich da fahre, wünsche ich mir wieder, ich wäre besser, disziplinierter im Auswendiglernen, denn dieses Lied von Kate Tempest ist eines der wenigen Lieder seit langen, das mich jedes Mal beim Hören, also dem richtigen Hören, in dem man nicht viel anderes tut, in dem die Worte und das Klavier der Motor sind und man sich fahren lässt, es ist also eines der wenigen Lieder, das mich zu Tränen rührt. Das Klavier ist gleichzeitig schwer und tragend, fordernd ohne zu drängelnd, selbstbewusst mit genug Raum für die Worte und es legt sich nicht wie der Sommer auf mich drauf, sondern unter mich, unter die Füße, unter die langsamen Schritte, unter das Vorderrad, unter meine Hände, die alles tun, was sie können derzeit, unter meine Augenlider ohne mir Licht zu klauen, ohne die Nacht zu stören, dieses Lied ist alles, was dieser Sommer ist, nicht das, was er sein könnte. Wann hast du das letzte Mal gedacht und in den Handgelenken gespürt, dass das hier unangenehm ist, aber nötig, dass hier anstrengend ist, aber ein dich dehnender Schritt, eine so dringliche Veränderung, die du wahrscheinlich irgendwann, aber erst einmal nicht vergessen wirst, weil sie sich in deine Fasern setzt und nur langsam abgebaut wird? Dieser Sommer will viel und er wird es bekommen, dieser Sommer knarzt, aber so, dass man sich ihm erneut und immer wieder zuwendet, er macht einen Punkt und ich interessiere mich für die Person, die ich sein werde, wenn er vorüber ist. „The days are not days but strange symptoms“.