Anemogamie

Nun liegt eine dünne, hellgrüngelbe Schicht Staub auf der Tastatur. Das erste Drittel des Jahres ist rum. Sag das mal einer der blauen Stunde (aber wenn, dann nur leise). Sowas sagt man ja sonst eher im Fieber, also dieses ausschnaufende „Jetzt ist der April schon wieder vorbei, da steht der Mai“, wenn man hustet und schnupft und jedes Geräusch so laut an einem vorbeisaust, das man es nicht ignorieren kann, und erst wenn sie sich zusammentun, werden sie aushaltbar, Geräusche umarmen sich zu einem Rauschen, und Gefühle manchmal ja auch, obwohl es bei denen kein Wort dafür gibt.

Ich weiß noch, dass wir mit acht oder neun versuchten, unsere Ängste wie Hamster zu trainieren. Und Justus sagte: „Ich werfe nun diesen Blumentopf aus dem Fenster und hoffe, dass er niemanden trifft“ und dann nahm er Anlauf und dann knallte es laut und am Ende waren Scheibe und Topf entzwei, aber niemand gestorben. In diesem Viertel kam der Tod immer ohne Anlauf. Ohne Blumentöpfe. Ohne Fensterkrachen. Aber alle wurden getroffen. Und der Reststaub hat sich auf allem abgesetzt. Den Spülbeckenrändern. Den Sockenschubladen. Den Nasennebenhöhlen. Den Briefköpfen. Man erkennt einander daran. Die einen wischen das so weg, mit Staubtüchern, sehr gründlich. Die anderen halten die Hände rein. Fahren mit dem Finger darüber. Erinnern sich. Die wissen, das kommt immer wieder. Das geht nie ganz weg. Man braucht es gar nicht versuchen.

An Silhouetten gibt die Schwärze jedem Licht eine Chance.