Die neunundvierzigste Woche Jahr #2

Sky

Gestern war ein Tag mit Wind. Berlin fühlt sich an manchen Ecken dann kurz an wie Hamburg. Oder vielleicht nicht wie Hamburg, aber wie ein paar Meter näher am Meer. Wenn man dann nachts durch Berlin läuft, auf den Straßen liegen vom Himmel gefallene Seeigel, kriegt einen wieder das Aliengefühl, wenn man nicht aufpasst, in dem sich alle bekannten Straßennahmen, Erinnerungen und Zugehörigkeiten auflösen und man nur noch Steine und Bäume sieht, ein Paar fremder Füße, kalte Hände und Taxifahrer, die selbst nicht wissen, wo es eigentlich langgeht.

Heute ist der Himmel wieder blau wie noch nie und dieses Mal trifft er beinahe die Farbe des Hauses, an dem ich so oft vorbeikomme. Eigentlich müsste man rausfahren, so richtig raus über den Rand hinaus dorthin, wo man sich erschreckt, wenn man noch andere Menschen trifft und sich dann doch grüßt mit gesenktem Blick und einem kurzen Lächeln. Man müsste dorthin fahren, wo es zu dieser Jahreszeit ohne hochgeschlagene Kragen nicht geht und wo man die ganze Zeit blinzeln muss, weil das Licht so blendet, wenn keine Häuser im Weg stehen oder nur solche, in denen niemand mehr wohnt.

Der Herr mit Hut und Ledertasche in der U1. So habe ich mir früher immer Schriftsteller vorgestellt. Auch das Schriftstellersein. Man umgibt sich mit Dingen aus Leder, macht ausladende Handbewegungen und beim Denken fasst man sich selbst ins Gesicht oder ans Papier. Und dann setzt man sich hin und seufzt und schreibt so, dass es ein Geräusch macht. Aber das ist dann auch das einzige Geräusch nach dem Seufzen. Das des Stiftes auf Papier, oder eben Tippen. Der Rest der Welt verschwindet. Dachte ich. Inzwischen habe ich festgestellt, dass diese Momente so rar sind, in denen das Hirn es schafft, die Welt komplett liegenzulassen, dass man sich dafür auch keinen Hut kaufen braucht. Wie die Sache mit dem schalltoten Raum. In dem man nichts hört außer sich selbst. Und dann eventuell verrückt wird, wenn man zu lange darin bleibt. Weil man das noch nie erlebt hat, vollständig von dem, was einen sonst permanent umgibt, so viel und so pausenlos, dass man es nicht mehr wahrnimmt, also von dem Offensichtlichen und dem großen Rest, nun wirklich von all dem getrennt zu sein.

Es ist wieder die Jahreszeit, in der man die Unsolved von Karate herausholt. Wenn man das dann fünfmal die Woche tut, ist Saison. „Still something sings within the vein, as I forget to fail, I forget to complain. And how much will the Leitmotiv sway to compensate for our fallow-yet-vigorous play on the century’s take on the lived-but-yet-named? Hold out, because this moon is twice as good when you see through a year of nights what you thought you understood.“