Die dritte Woche Jahr

Hasenheide

„Es ist niemandem zu trauen, der sein Brot komisch schmiert“, sagt D.

Am richtigen Tag über das Zitat aus Naiv-Super gestolpert: „Lise beruhigt mich. Sie hat eine New-York-Theorie. Sie sagt, zweierlei kann dort passieren, und es liegt an mir, welche von beiden Möglichkeiten eintritt. Einmal kann ich alle Vorbehalte ablegen und einfach alles auf mich wirken lassen. Wie ein Kind. Oder aber ich halte einen gewissen Abstand und beobachte Kleinigkeiten, versuche, Bekanntes zu erkennen. Sortieren und vergleichen. Das Erste kann dazu führen, dass man überfordert wird oder auch einfach überwältigt. Das Zweite möglicherweise zu schönen Beobachtungen, Eindrücken und Spaß. Meint Lise. Außerdem meint sie, überwältigt sein kann auch sein Gutes haben.“ (S.131)

Dann das Fieber. Als hätte jemand einem eine VR-Brille aufgesetzt, und im Kino läuft das Innere eines Eimers. Ganz ohne Glitzer, sondern einfach schwarz und mit Echo und vor allen Dingen so, dass man die Orientierung verliert. Wie sich kurz vor 40° die Gedanken nicht mehr aneinander hängen, eigentlich ein ganz guter Zustand, in dem man dem Hirn beim Versuch des Denkens zusehen kann, alle Bilder kriechen heran, stellen sich vor und kriechen dann weiter. Völlig zusammenhangslos. Täte der Rest nicht so weh, es wäre völlig genießbar, wie einfach alles nur anwesend ist und dann wieder fortgeht, nur Farben und bröckeliger, gesprochener Unsinn, ich weiß noch von Bowie und dem Bücherregal, das ich auf einem Berg aufbaute, von zwei kleinen Dackeln und alten riesigen Teppichen, darunter verborgener Eiscreme und einem Tipi aus riesigen Mikadostäbchen, in dessen Inneren eine Treppe in den plötzlich goldenen Keller der alten Lieblingsbar führte. Auf einem Thron dort sitzend: ein lila Plüschbär. Keine weiteren Fragen.

„Wie alles nur beliebig sein kann, wenn man aus Angst vor Misserfolgen nicht unterscheiden will.“ (Peter Breuer)

Gegen halb vier sieht man das gute Licht und wie es Punkte auf der Fassade hinterlässt. Der Nachbar hustet durch die Wand mit, wir werden nicht dazu kommen, uns als Ensemble eintragen zu lassen, not in it for the money, just in it for the thrill.

Der Großvater kommt vorbei, ich habe nichts zu erzählen, also halten wir einen Mittagsschlaf, er am Ende des Sofas aufrecht und blinzelnd, ich liegend am anderen Ende unter der Decke, er sagt, schlafen konnte er noch nie gut.

Irgendwo dazwischen verabschiede ich mich von anderthalb Jahren, das ist ja nichts, das man tut und dann ist es vorbei, das trägt man mit sich herum wie eine kleine Melancholie oder Kastanie und irgendwann fällt es einem aus der Tasche, das merkt man aber in den seltensten Fällen direkt, weil es nicht fest genug ist für ein lautes Geräusch beim Aufprall.

Die Straße zum Arzt sieht immer noch aus, als wäre gestern erst Silvester gewesen, die großen Batterien, das viele Streu, all die Scherben. Dabei ist das Jahr schon drei Wochen alt, die Nabelwunden sind verheilt, wenn wir Glück haben.