Die Sache ist ja die, dass es so viele Sachen sind.

Monat: März, 2015

The blue sky will smother us, believe me.

Oben

Der Rotwein im Flugzeug setzt sich sofort in die Beine, sinkt langsam herab bis zu den Knöcheln und steht dann dort wankend herum, ich spüre, wie er sich von innen gegen meine Haut lehnt. Walk off von The National, während draußen nur kleine Punkte zu sehen sind, wenn ich meine Stirn an das kühle Fensterplastik presse. Wie viele haben das heute schon einmal getan? Ich habe die Reihe nur für mich. Auf dem Bildschirm oben fliegt das Flugzeug über Grün hinweg, in echt fliegt es durch Schwarz hindurch. In Flugzeugen spüre ich immer alles gleichzeitig, was ist, vielleicht weil der Luftaustausch so begrenzt ist, früher hab ich Panikattacken davon bekommen, mittlerweile schaffe ich es, eher belustigt in mich hineinzusehen. Es gibt Leute, die sagen, in Zeiten von gleichzeitigen Zuständen, die man sonst sicherlich nicht nebeneinander einsortieren würde, sei das Wichtigste Milde und Geduld und Reflexion, vor allem sei das Wichtigste, sagen die Menschen, sich immer wieder zu schütteln und sich nicht mit der erstbesten Antwort zufrieden zu geben, weil das Leben eben so nicht ist, so simpel, das Leben nicht und eben keiner von den Köpfen, kein einziger, es gibt zwar nur eine Antwort, die gilt, aber nie nur einen Grund. (Milde ist das Schwerste beinahe, stimmt’s? Weil es dann kein Ausweichgefühl mehr gibt, sage ich den Leuten, deswegen ist das am Schwersten. Mit sich milde zu sein. Total surrender, das ist die Extended Child’s Pose als Gefühl. Practice forgiveness as a way to keep moving forward.) Walk off and drink from the river. Als würde man beim Landeanflug mal schlucken und plötzlich hört man wieder was. Tut weh, ist zu laut, aber so ist’s normal, also wie nach dem Schlucken, man hatte das nur vergessen, sehr schnell sogar. Zwischen uns und der Stadt liegt Nebel, den man jetzt erst sieht, kurz vorm Boden.

And away with the minutes

The Room

Wir gehen spontan und ein bisschen zufällig dann doch hin und dann gibt es diesen großen Raum mit den Notenblättern an der Wand, meinen Lieblingsraum, ich könnte ewig dort stehen und gucken, wie die Leute gucken, und irgendwas zwischen diesen Notenblättern macht mich ruhig, das nichts mit dem Klavier im Raum zu tun hat, das Klavier ist mir schon beinahe wieder zuviel, aber neben den ganzen Schaukästen, in denen die anderen Exponate stehen, neben den Anordnungen und der Bemühung, allem Raum zu geben, gefällt mir hier, dass einfach alles voll ist mit Noten, aufgeschriebener Musik, kleinen Akzenten, alles sortiert, aufgehängt, fertig, da bleib ich. Im Keller bellen die Hunde, auch noch so ein Kontrast, den ich mag, das Bellen, angeblich 24 Stunden lang aufgenommen, und an der Wand auf den Leisten dann die Kontaktabzüge, winzig und mühsam anzusehen, auch das unruhige Braun der Leisten macht es nicht besser, aber genau so hat es auch was von Zwinger, von der Gegenwart der Hunde, man muss sich anstrengen, man spürt, was es braucht, dabei zu bleiben und nicht abzubrechen, auch weil es so abgetrennt ist vom Rest. Und dann The Room With My Soul Left Out, The Room That Does Not Care. Bekommt mich so sehr, dass ich gar nicht sprechen kann, es ist vermutlich auch mehr der Titel, der mich so rührt, als der Ort an sich. Aber der Titel, meine Güte, alles andere als Gerümpel und ich muss das Exponat, den Raum, die Turnhalle, den Zufall nach kurzer Zeit wieder verlassen, weil Rührung in einer fremden Menschenmasse mir noch nicht bekommt, (aber das wird schon). - „Wenn Ihnen etwas zu nahe kommt, konzentrieren Sie sich auf die Frisuren, Sie werden viel zu tun haben für mehrere Minuten, das macht es leichter, probieren Sie es mal aus, Scheitel, Koteletten und sorgsam geflochtene Zöpfe, aus denen jemand mit höchster Anstrengung Strähnen so gezupft hat, dass es aussieht wie ein Versehen. Reines Seelenheil, dem zuzusehen, wenn es dem Zwerchfell pressiert.“

20. März 2015 – Lesung & Konzert

Lesung

Am 20. März machen Lars und ich, was wir gern einmal im Jahr tun: Lars singt, ich lese. Da dieses Jahr kein neues Buch erscheint, weil man sich ja irgendwann auch mal um sein Leben und den ganzen Rest kümmern muss, lese ich aus den Büchern, die es schon gibt, und aus diesem Notizbuch hier. Lars wird ein paar neue und vielleicht auch alte Lieder spielen. Los geht es um 19:30 Uhr, der Eintritt ist frei.