Die Sache ist ja die, dass es so viele Sachen sind.

Monat: August, 2014

Missing Person Report.

Der Atem in der Schläfe. Erst einmal die Strecke in Gedanken abfahren, dann in Maps eingeben, die Strecke betrachten, die Krankenhäuser um die Strecke herum orten, alle Adressen aufschreiben, sowieso Daten aufschreiben auf das Blatt vor dir, falls jemand danach fragt. Geburtsdatum, Nummer, Meldeadresse. Nicht den Notruf anrufen, aber die Bürgernummer und fragen, wie man das macht, wenn jemand nicht nach Hause kommt, was man dann tun kann, wenn jemand nicht nach Hause kommt, ob sie jemanden kennen, der wüsste, wie man denn vorgeht, wenn jemand nicht nach Hause kommt. Ein Anruf als Entscheidung, ruhig zu bleiben, den Rest herunterschlucken, das Provisorium spüren, aber schlucken, soviel und soweit es geht. Es geht. Weiterreden, der ruhigen Stimme zuhören. Den Atem im Bauch, während die Stimme am anderen Ende die Unfallliste der Großstadt durchgeht, 66 Unfälle heute, keine Radfahrerin dabei. Nach einem Prozedere fragen, das Prozedere notieren, weil man dem eigenen klaren Denken nicht traut, nicht jetzt, also Notizen, dann bedanken, dann auflegen. Dann die Krankenhäuser. Eins, zwei, drei. Den Zettel mit den Daten neben dem Knie. Nein, da ist niemand mit dem Namen und dem Geburtsdatum. Auflegen. Nummer zwei. Da ist auch niemand, der auf die Beschreibung passt. Nummer drei. Niemand. Den Atem aussperren. „Das ist etwas Gutes“ denken und sich an den Vorsatz erinnern, ruhig zu bleiben. Wieder schlucken. Noch einmal die Strecke betrachten. Die Strecke mit dem Fahrrad abfahren? Mit dem Taxi? Jemanden fragen? Die Zeit vergeht beim Schlucken, dabei ist kaum noch Spucke da. Das Vakuum ist ewig und man spürt sein Ende erst, wenn es Entwarnung gibt. Keine Vermisstenmeldung. Keine Verletzten. Dann auch mit der Entwarnung kommt der Durst, das Wasser, sich auf den Boden setzen, atmen atmen atmen, alles ist okay, alles ist gut gegangen, Hände noch da, Füße noch da, Familie noch da und das Herz wach, so wach, so wild. Jetzt hat man es einmal gemacht. Man wird sich erinnern, vielleicht.

My word for it.

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Und dann machst du an diesem Montag das neue Angus & Julia Stone Album an und musst es fast, aber nur fast wieder ausmachen, weil es dir beinahe, aber nur beinahe die eh zur Zeit im Bauch sitzende Sprache verschlägt, nicht einmal die Töne an sich sondern wie alles zusammen kommt und passt, also diese Lieder zu diesem Sommer, in meinem Ohr klingen sie, als würden sie versuchen, etwas abzuschütteln, einen Fuß vom Boden zu bekommen (und nicht drauf, so wie die meisten, es geht ja immer um Bodenhaftung, aber manchmal, das muss ich euch sagen, da geht es vor allem darum, hoch zu kommen, mit der Wange vom Boden hoch und mit der Hüfte vom Boden hoch und mit dem Fußrücken vom Boden hoch, weil sich das Parkett sonst eindrückt, also jahrelang und wenn man gar kein Tattoo haben will, also wenn man seine Haut, wie sie ist, eigentlich gerne mag, dann ist das nichts Gutes, dort über Monate zu liegen, und dann hängt das eigene Überleben davon ab, nicht mehr liegen zu bleiben, den Rücken rund zu machen, damit der Stein hinunter rollt und zwar über die Seite und nicht in die Kniekehle, denn die Kniekehle hat eh schon genug mitgemacht, der reicht es langsam, die gilt es zu schonen, ist auch mal gut jetzt, deswegen über die Seite und dann hoch, irgendwie aufstehen, das ist die Rettung, nicht irgendeine sondern deine, jeder darf heulen dabei, jederzeit).

Und dann stehst du zur blauen Stunde am offenen Fenster, das man heute zum ersten Mal seit Tagen wirklich wieder öffnen kann, weil es kühler und nicht noch wärmer wird dadurch im Zimmer, und es läuft ‚Wherever you are‘ und du legst dir selbst die eine Hand auf die andere, weil es sein muss, dass man sich hält, meine ich, das darf nichts Fremdes sein, man darf sich nichts Fremdes sein, jedenfalls nicht zu lange, jedenfalls nicht zu oft.

Hauptsache etwas spüren, anti-cool sein, anti-abgefucked, also nicht tot. Sich jeden Tag für Leben entscheiden. Nicht genug Angst haben, um damit aufzuhören; viel zu viel Angst haben, damit aufzuhören.