Missing Person Report.
Der Atem in der Schläfe. Erst einmal die Strecke in Gedanken abfahren, dann in Maps eingeben, die Strecke betrachten, die Krankenhäuser um die Strecke herum orten, alle Adressen aufschreiben, sowieso Daten aufschreiben auf das Blatt vor dir, falls jemand danach fragt. Geburtsdatum, Nummer, Meldeadresse. Nicht den Notruf anrufen, aber die Bürgernummer und fragen, wie man das macht, wenn jemand nicht nach Hause kommt, was man dann tun kann, wenn jemand nicht nach Hause kommt, ob sie jemanden kennen, der wüsste, wie man denn vorgeht, wenn jemand nicht nach Hause kommt. Ein Anruf als Entscheidung, ruhig zu bleiben, den Rest herunterschlucken, das Provisorium spüren, aber schlucken, soviel und soweit es geht. Es geht. Weiterreden, der ruhigen Stimme zuhören. Den Atem im Bauch, während die Stimme am anderen Ende die Unfallliste der Großstadt durchgeht, 66 Unfälle heute, keine Radfahrerin dabei. Nach einem Prozedere fragen, das Prozedere notieren, weil man dem eigenen klaren Denken nicht traut, nicht jetzt, also Notizen, dann bedanken, dann auflegen. Dann die Krankenhäuser. Eins, zwei, drei. Den Zettel mit den Daten neben dem Knie. Nein, da ist niemand mit dem Namen und dem Geburtsdatum. Auflegen. Nummer zwei. Da ist auch niemand, der auf die Beschreibung passt. Nummer drei. Niemand. Den Atem aussperren. „Das ist etwas Gutes“ denken und sich an den Vorsatz erinnern, ruhig zu bleiben. Wieder schlucken. Noch einmal die Strecke betrachten. Die Strecke mit dem Fahrrad abfahren? Mit dem Taxi? Jemanden fragen? Die Zeit vergeht beim Schlucken, dabei ist kaum noch Spucke da. Das Vakuum ist ewig und man spürt sein Ende erst, wenn es Entwarnung gibt. Keine Vermisstenmeldung. Keine Verletzten. Dann auch mit der Entwarnung kommt der Durst, das Wasser, sich auf den Boden setzen, atmen atmen atmen, alles ist okay, alles ist gut gegangen, Hände noch da, Füße noch da, Familie noch da und das Herz wach, so wach, so wild. Jetzt hat man es einmal gemacht. Man wird sich erinnern, vielleicht.