Die Sache ist ja die, dass es so viele Sachen sind.

Monat: März, 2012

Sympathy is more than just a way of leaving.

And your metaphors (as mixed as you can make them) are linked, like days, together. I still hear trains at night, when the wind is right.“ (The Weakerthans)

Willkommen am schimmernden Ende unserer Welt.

Coby County

„Ich kenne Wesley seit fast vierzehn Jahren, aber ich habe noch nie zu ihm gesagt, dass er aufhören soll, sich etwas vorzumachen. Eigentlich habe ich auch nicht vor, ihm das jemals zu sagen. Denn eigentlich habe ich nichts dagegen, wenn sich Leute etwas vormachen.“ (S.14)

„Solche Sätze sagt Carla oft, sie werden aus ihrer großen Ruhe geboren, und meistens nehme ich diese Ruhe als eine Art Charakterstärke wahr. Nur an schlechten Tagen habe ich das Gefühl, dass mich diese Ruhe enorm träge macht, dass ich irgendwann neben Carla einschlafen und dann keinen Grund mehr sehen könnte, noch einmal aufzuwachen.“ (S.35)

„Am häufigsten muss ich mich an Tagen nach ausgelassenen Festen übergeben, aber das finde ich nicht schlimm. Oft ahne ich es sofort nach dem Aufwachen und eigentlich herrscht dann sogar eine gewisse Vorfreude. Insgeheim empfinde ich das Übergeben als rebellische Geste, als eine Art Befreiung von den Zwängen, mit denen ich lebe und die ich ja alle selbst zu verantworten habe. Wenn ich vor der Toilette knie und würge, weil ich in der Nacht zuvor viel zu viel getrunken habe, dann erdet mich das auf plakative Art und Weise, dann bin ich irgendwie ganz bei mir und maximal ehrlich zu mir selbst.“ (S.47)

„Mein Dad hatte immer eine hohe Stirn, aber das Bewußtsein, dass er eine hohe Stirn hatte, stellte sich bei mir keinesfalls vor vierzehn ein, eher später. Zuvor war es einfach die Stirn meines Dads und ich habe sie mit keiner anderen Stirn verglichen. Als Kind ist man ja in der Lage, die Welt als eine Ansammlung von Fakten zu sehen, das ist eine dieser Fähigkeiten, die man manchmal ganz gerne zurückgewinnen würde, aber meistens dann doch lieber nicht.“ (S.48)

„Paare, die ihren Liebeszustand nicht als vorbelastet oder klischiert wahrnehmen: die gibt es gar nicht, denke ich, die wären ja auch kaum zu ertragen. Insofern waren Carla und ich, neutral betrachtet, vielleicht nie etwas Besonderes. Für mich war es das aber doch, weil ich vorher nie so lange mit einem Menschen, mit dem ich auch ins Bett ging, einen so engen Kontakt gepflegt hatte. Auch wenn wir uns mal einige Tage nicht sahen und keine E-Mails oder Shortmessages austauschten, wusste ich, dass es diese Carla gab, und das hat den Alltag durchaus stabilisiert, wie grauenvoll labil das auch klingen mag.“ (S.95)

„Es ist davon auszugehen, dass auch diese Freiberufler ihren Alltag primär vor Laptops verbringen, still dasitzend und auf irgendeine Weise lesend. Im Grunde vergehen so vielleicht die allermeisten Tage, man sitzt vor Texten und Bildern, man redet und tippt. Hinzu kommen Schlaf und Ernährung und bei einigen noch Sport und Erotik, aber das bleibt ja auch beides eng an Texte und Bilder gekoppelt. Manchmal erstaunt es mich, dass mein vom Dasein und Lesen dominierter Alltag trotzdem ständig Risiken bereithält.“ (S.113)

Schimmernder Dunst über Coby County“ wurde von Leif Randt geschrieben und ist 2011 im Bloomsbury Verlag, Berlin erschienen.

„We are setting fire to our insides for fun to distract our hearts from ever missing them.“ But.

Sun

Die Lippen kobaltblau, am Ende und am Anfang steht man immer am Fluss, die Füße eisschollenkalt, am Ende und am Anfang schneit es immer, die Finger an Scheiben mit Hautresten, ein bisschen du und ein bisschen ich, am Ende und am Anfang ist man immer ganz blind, weil man immer hinein in ein Gestrüpp oder herausschaut, die Knie marineblau, am Ende und am Anfang ist immer erst einmal Ruhe, die Schienbeine landen immer erst an dritter Stelle, die Handflächen an altem Stoff mit ein bisschen dir drin und ein bisschen mir, am Ende und am Anfang ist man immer verfremdet, die Augen in Cyan, alles Wasser ist eigentlich durchsichtig, hast du das gewusst, genau wie der Himmel, hast du das gewusst, genau wie die Grenze zwischen Brauchen und Wollen, genau wie der Knick in der Optik zwischen richtig und falsch, genau wie die Stoppeln am Bein deines Umstands und angelaufene Wünsche am Kinn meiner Sorge, wer sich um wen dreht, fragen die einen, wer aufhört damit, weil er sonst kotzen muss, die anderen, wer besser früher aufhört, weil er weiß, dass ihm schwindelig wird, ist immer der, der sich noch festhalten kann, wer dabei dann den Kopf in den Nacken legt und sich an Kondensstreifen orientiert, der hat es gerade noch so geschafft, ein bisschen du, ein bisschen ich, am Ende und am Anfang ist man immer ganz leicht, weil man sich alles vom Körper geworfen hat und die einen, die kennen das gar nicht mehr, und die anderen, die wollen das gar nicht mehr, eine zerrissene Hand auf dem Bauch, etwas angefangen und nie weiter gekommen, etwas angebissen und nie runtergeschluckt, etwas angestoßen und nicht aufgefangen, etwas verlegt und nie gefunden, etwas gesagt und nicht gehört, am Ende und am Anfang gibt es immer Aussicht auf Irrtum.